Im Wittnauer Oberdorf, vis-à-vis der Altbachmühle, gab es bis ins 20. Jahrhundert hinein eine Schmiede. Über Generationen hinweg war die Familie Brogle im eisenverarbeitenden Handwerk aktiv. Das Haus, in dem die Schmiedewerkstatt einst untergebracht war, ist heute noch als "Schmitte" angeschrieben und ältere Wittnauerinnen und Wittnauer kennen auch noch den Dorf-Namen "s Schmitts".
Ein Haushaltungsbuch aus den Jahren 1872 - 1880 gibt uns einen Einblick in den Alltag des Schmieds Bernhard Brogle (1846-1884). Weil die wenigsten Kunden seine Arbeit gleich bezahlen konnten, musste der Handwerker auch Monate später noch nachweisen können, was er gearbeitet und geliefert hatte.
Ein paar Beispiele: (zum Vergrössern auf die Bilder klicken!)
Nabenring geschweist: –.20
neuer Wognagel: 1.20
eine Achs beschlagen: 3.50
2 Reif auf 2 Rad: 4.–
die Reif aufgezogen 3.40
3 Kappe an Sinnbengel –.30
1 neüe Nabering –.60
1 neüe Karst 3.–
Waldsage ausgefeilt 2.50
4 neüe Ochseneisen 1.80
2 neüe Federn in Rebscherr
–.30
1 Säch gericht –.20
1 Karst gespizt –.20
1 Stihl an Pfanne –.40
1 neue Lohne –.40
1 neue Klammhoge 1.60
Karstzinge angeschweist –.55
Zimmer Axt sammt Stihl 7.–
1 neüs Stemeisen 1.50
1 Stüzze an Kare –.60
1 neüe Haue 2.60
1 Blech auf 1 Sense –.20
1 Pflug renafirt 3.50
1 neue Wogkappe –.50
1 Hammer gestählt –.70
2 neu Sperschittboge –.90
1 neü Wendelbaum 2.75
der Dribel v. Eisen –.70
1 Reif genihtet –.10
2 neue Gleich [und]
1 Kuh die Füß gebuzt –.70
1 Ofenthür beschlagen 8.10
1 Band an Lüchse –.40
Das Haushaltungsbuch verrät einiges über die Arbeit des Schmieds Bernhard Brogle.
Er war ein Allrounder. Er stellte Dinge des täglichen Lebens her: Schlüssel, Schuhlöffel, Hufeisen, Kettenglieder, Haken, Schrauben. Er reparierte Pfannen, feilte das Mahlwerk von Kaffeemühlen. Vor allem Werkzeuge gehörten zu seinem Arbeitsfeld: Hämmer, Pickel, Stemmeisen, Kärste, Mistgabeln, Schindelmesser, Sensen, Dangel, Reuthauen, Gertel, Beile und Sägen. Auch Spezialwerkzeuge für verschiedene Handwerker entstanden in seiner Schmiede: ein Kronenhammer für den Müller Tschudi (zum Bearbeiten der Mühlsteine), ein Kachelhammer für den Hafner Walde, Zimmeraxt und Bauklammern für die Zimmerleute.
Ein Spezialgebiet waren die Bestandteile von Leiterwagen und Pflügen. Da war vor allem auch die enge Zusammenarbeit mit einem Wagner gefragt. Wie so oft gab es auch hier gleich neben der Schmiede eine Wagnerei. Dort arbeitete Bernhard Brogles Bruder Johann Jakob (1843-1913), später dessen Sohn Otto Brogle (*1874).
Im Hausbuch wimmelt es von Fachausdrücken des Wagen- und Pflugbaus.
Kennen Sie etwas davon?
Wagenbau:
Lantwid: Langbaum (oft ein Rundholz), Verbindung zwischen Vorder- und Hinterwagen
Lohne: Achsnagel, der das Rad auf der Achse hält. "Lünse"
Mechanik-Triebel: Kurbel zum Anziehen der Wagenbremse
Nabenring: Geschmiedeter Eisenring, der die Nabe eines Holzrades zusammenhält
Simpängel: Zugscheit
Sperrlohne: Stütz- oder Verbindungsscheit zwischen Wagenleiter und Achsenende
Sperrschit: gekrümmte Sperrleiste vorn und hinten am Leiterwagen zum Auseinander-
halten (und zugleich zur Verbindung) der obern Leiterbäume
Wispe: "Bindbaum", ein langes rundes Stück Holz, mit welchem das auf einen Wagen
geladene Heu mittels Seilen zusammengedrückt und festgehalten wird
Wognagel: Nagel auf der Wagendeichsel zum Anhängen der Waage
Pflugbau:
Geize: Handgriffe des Pflugs
Rister: "Streichbrett", es wendet die aufgebrochene Erde
Sech: Pflugmesser
Wägesse: Pflugschar
Werkzeug und Handwerk
Gertel Starkes, breitschneidiges, vorn gekrümmtes Messer zum Abschneiden von
Reisig und Ästen oder zum Zerkleinern von Brennholz für die Küche. "Hippe"
Haue Gartengerät mit quer stehendem, geschmiedetem Blatt zum Unkrautjäten
Heurüpfel Widerhaken zum Rupfen von Heu
Karst Gartenwerkzeug mit zwei bis vier Zinken zum Aufbrechen des Bodens
Klammhaken Bauklammer, wird vom Zimmermann zum Fixieren von Bauholz verwendet
Rüthaue Eine besonders kräftige und schwere Haue, wie sie zum Roden von Wald
verwendet wurde
Zimmermannsaxt Grosse Axt mit recht kurzem Stiel zum Behauen von Balken. Die Axt ist
asymmetrisch, auf der einen Seite ganz flach.
Hufschmiede-Arbeiten
Selbstverständlich war der Schmied Bernhard Brogle auch Hufschmied. Aus seinen Abrechungen geht hervor, welche Kunden welche Art von Hufeisen kaufte. Kleinbauern, die ihre Kühe als Zugtiere vorspannten, brauchten Ochsen-Hufeisen. Das sind halbe Eisen, denn Rinder haben bekanntlich gespaltene Klauen und nicht durchgehende, runde Hufe. Wohlhabende Bauern, Wirte, der Müller und der Ziegler besassen Pferde und die brauchten auch die entsprechenden Hufeisen.
Der Schmied verkaufte nicht nur neue Hufeisen, zu einem günstigeren Preis bot er auch alte Eisen an.