Das Hausbuch des Schmieds Bernhard Brogle

für die Jahre 1872 – 1880


Im Wittnauer Oberdorf, vis-à-vis der Altbachmühle, gab es bis ins 20. Jahrhundert hinein eine Schmiede. Über Generationen hinweg war die Familie Brogle im eisenverarbeitenden Handwerk aktiv. Das Haus, in dem die Schmiedewerkstatt einst untergebracht war, ist heute noch als "Schmitte" angeschrieben und ältere Wittnauerinnen und Wittnauer kennen auch noch den Dorf-Namen "s Schmitts".

Die Schmitte ca.1936. Im Hausteil ganz links war eine Wagnerei untergebracht.
Die Schmitte ca.1936. Im Hausteil ganz links war eine Wagnerei untergebracht.

 

Ein Haushaltungsbuch aus den Jahren 1872 - 1880 gibt uns einen Einblick in den Alltag des Schmieds Bernhard Brogle. Weil die wenigsten Kunden seine Arbeit gleich bezahlen konnten, musste der Handwerker auch Monate später noch nachweisen können, was er gearbeitet und geliefert hatte.

 

Ein paar Beispiele:    (zum Vergrössern auf die Bilder klicken!)

Der arg lädierte Buchdeckel. Die Etikette hat sich leider abgelöst.
Der arg lädierte Buchdeckel. Die Etikette hat sich leider abgelöst.
S. 4: Arbeiten für Sigmund Rüetschi
S. 4: Arbeiten für Sigmund Rüetschi
S. 6: Arbeiten für Josef Brogle, Vidalen
S. 6: Arbeiten für Josef Brogle, Vidalen

Nabenring geschweist:  –.20

neuer Wognagel:           1.20

eine Achs beschlagen:  3.50

2 Reif auf 2 Rad:            4.–

die Reif aufgezogen       3.40

3 Kappe an Sinnbengel  –.30

1 neüe Nabering            –.60

1 neüe Karst                  3.–

Waldsage ausgefeilt       2.50

4 neüe Ochseneisen      1.80

2 neüe Federn in Rebscherr

                                       –.30

1 Säch gericht                –.20

1 Karst gespizt               –.20

1 Stihl an Pfanne            –.40

1 neue Lohne                 –.40


S. 11: Joh. Uebelmann, Zimmermann
S. 11: Joh. Uebelmann, Zimmermann
S. 29: Franz Josef Keller
S. 29: Franz Josef Keller
S. 67: Heinrich Waldi, zur Sonne
S. 67: Heinrich Waldi, zur Sonne

1 neue Klammhoge          1.60

Karstzinge angeschweist –.55

Zimmer Axt sammt Stihl    7.–

1 neüs Stemeisen            1.50

1 Stüzze an Kare             –.60

1 neüe Haue                    2.60

1 Blech auf 1 Sense        –.20

1 Pflug renafirt                 3.50

1 neue Wogkappe           –.50

1 Hammer gestählt          –.70

2 neu Sperschittboge      –.90

1 neü Wendelbaum        2.75

der Dribel v. Eisen          –.70

1 Reif genihtet                –.10

2 neue Gleich [und]

1 Kuh die Füß gebuzt    –.70

1 Ofenthür beschlagen   8.10

1 Band an Lüchse           –.40


Das Haushaltungsbuch verrät einiges über die Arbeit des Schmieds Bernhard Brogle.

Er war ein Allrounder. Er stellte Dinge des täglichen Lebens her: Schlüssel, Schuhlöffel, Hufeisen, Kettenglieder, Haken, Schrauben. Er reparierte Pfannen, feilte das Mahlwerk von Kaffeemühlen. Vor allem Werkzeuge gehörten zu seinem Arbeitsfeld:  Hämmer, Pickel, Stemmeisen, Kärste, Mistgabeln, Schindelmesser, Sensen, Dangel, Reuthauen, Gertel, Beile und Sägen.

Ein Spezialgebiet waren die Bestandteile von Leiterwagen und Pflügen. Da war vor allem auch die enge Zusammenarbeit mit einem Wagner gefragt. Wie so oft gab es auch hier gleich neben der Schmiede eine Wagnerei. Dort arbeitete Bernhard Brogles Bruder Johann Jakob, später dessen Sohn Otto Brogle.

 

Im Hausbuch wimmelt es von Fachausdrücken des Wagen- und Pflugbaus.

Kennen Sie etwas davon?

 

Wagenbau:

Lantwid:                    Langbaum (oft ein Rundholz), Verbindung zwischen Vorder- und Hinterwagen

Lohne:                      Achsnagel, der das Rad auf der Achse hält. "Lünse"

Mechanik-Triebel:     Kurbel zum Anziehen der Wagenbremse

Nabenring:                Geschmiedeter Eisenring, der die Nabe eines Holzrades zusammenhält

Simpängel:               Zugscheit

Sperrlohne:              Stütz- oder Verbindungsscheit zwischen Wagenleiter und Achsenende

Sperrschit:                gekrümmte Sperrleiste vorn und hinten am Leiterwagen zum Auseinander-

                                 halten (und zugleich zur Verbindung) der obern Leiterbäume

Wispe:                      "Bindbaum", ein langes rundes Stück Holz, mit welchem das auf einen Wagen

                                 geladene Heu mittels Seilen zusammengedrückt und festgehalten wird

Wognagel:                Nagel auf der Wagendeichsel zum Anhängen der Waage

 

 

Pflugbau:

Rister:                      "Streichbrett", es wendet die aufgebrochene Erde

Sech:                        Pflugmesser

Wägesse:                 Pflugschar

 

 

Werkzeug und Handwerk

Gertel                       Starkes, breitschneidiges, vorn gekrümmtes Messer zum Abschneiden von

                                 Reisig und Ästen oder zum Zerkleinern von Brennholz für die Küche. "Hippe"

Haue                        Gartengerät mit quer stehendem, geschmiedetem Blatt zum Unkrautjäten

Heurüpfel                 Widerhaken zum Rupfen von Heu

Karst                        Gartenwerkzeug mit zwei bis vier Zinken zum Aufbrechen des Bodens

Klammhaken            Bauklammer, wird vom Zimmermann zum Fixieren von Bauholz verwendet

Rüthaue                   Eine besonders kräftige und schwere Haue, wie sie zum Roden von Wald

                                 verwendet wurde

Zimmermannsaxt     Grosse Axt mit recht kurzem Stiel zum Behauen von Balken. Die Axt ist

                                 asymmetrisch, auf der einen Seite ganz flach.

 

 

Hufschmiede-Arbeiten

Selbstverständlich war der Schmied Bernhard Brogle auch Hufschmied. Aus seinen Abrechungen geht hervor, welche Kunden welche Art von Hufeisen kaufte. Kleinbauern, die ihre Kühe als Zugtiere vorspannten, brauchten Ochsen-Hufeisen. Das sind halbe Eisen, denn Rinder haben bekanntlich gespaltene Klauen und nicht durchgehende, runde Hufe. Wohlhabende Bauern, Wirte, der Müller und der Ziegler besassen Pferde und die brauchten auch die entsprechenden Hufeisen.

Der Schmied verkaufte nicht nur neue Hufeisen, zu einem günstigeren Preis bot er auch alte Eisen an.