Für Einheimische wie Auswärtige ist klar: Brauchtum in Wittnau – das ist gleichbedeutend mit "Fasnachtsfeuer".
Dass es aber in früheren Zeiten durchaus noch weitere Bräuche gab, darauf weist ein Bericht hin, der 1924 im Eidgenössischen Nationalkalender veröffentlicht wurde. Er stammt aus der Feder von Emil Beck, der von 1885 bis 1921 in Wittnau an der "Fortbildungsschule" (Sekundarschule) unterrichtete.
Von den Gebräuchen der alten Wittnauer sind
verschiedene eingegangen, so das Weihnachtsin-
gen, der Hutzgiri [1], der Eierleset [2], die Sichellöse [3]
(Erntefest), die Wurstmähler. Dagegen haben
sich die einzigartigen, schönen, aus uralter Zeit
stammenden Feuer am Abend der alten Fast-
nacht bis auf den heutigen Tag erhalten und
bilden stets einen besonderen Reiz für jung und
alt, Einheimische und Ortsfremde. Ferner pfle-
gen die musikalisch und theatralisch wohlveranlag-
ten Wittnauer mit besonderer Vorliebe Konzerte
und Theater.
[1] Hutzgiri: Im Schweizerischen Idiotikon, dem umfassenden Mundart-Lexikon der
Schweiz, ist diese (weibliche) Fasnachtsmaske aus Wittnau ausdrücklich
erwähnt.
Die Schreibweise ist hier "Hotzgüri".
Die Hutzgiri-Figur zog mit einer lärmenden Knabengruppe durchs Dorf,
ausgerüstet mit Säcken und Körben zum Einsammeln von Gaben. Dazu wurde
ein Bettellied gesungen.
(→ Idiotikon 2, 411)
[2] Eierleset: Dieser sportliche Frühlingsbrauch wird in verschiedenen Dörfern des Fricktals
(Wölflinswil, Oberhof, Effingen) und des Baselbiets noch heute gepflegt.
Dass der Brauch in Wittnau bis 1898 aktiv durchgeführt wurde, wissen wir aus
einem Zeitungsartikel in jenem Jahr. Von späteren Durchführungen wissen wir
nichts.
In Wittnau lebte der Brauch im März 1936 noch einmal auf, als der Veloclub ein
Eierleset per Fahrrad organisierte. ► Bilder davon sind hier zu sehen.
[3] Sichellöse: Ein Fest für die bei der Getreideernte beteiligten Arbeiterinnen und Arbeiter.
Dabei wurden Fleisch, "getrölte Chüechli", Krapfen und Most aufgetischt. Der
Bauer achtete darauf, dass alles reichlich offeriert wurde, andernfalls hätte
sein Ruf Schaden genommen. Die Bäuerin machte es sich zur Ehre, mit
eigenen Broten aufzurücken, die aus dem neuen Getreide gebacken worden
waren.
(→ Idiotikon 3, 1444)
Ein weiterer Brauch, der in Wittnau noch lebendig ist:
Die geschmückten Palmbäume am Palmsonntag.
Hier sehen Sie Fotos von 1949 und aus den 1960er-Jahren.