Nur einem kleinen Teil der Bevölkerung ist bewusst, dass sich im untersten Geschoss des Gemeindehauses das historische Gedächtnis von Wittnau befindet, sozusagen das Geschichtsgehirn der Gemeinde. Im Archiv werden Dokumente aus mehreren Jahrhunderten aufbewahrt, die sich wie Puzzleteile zu verschiedenen spannenden Bildern zusammenfügen lassen.
Die Gemeinde steht in der Verantwortung, diesem analogen Datenspeicher, der aus Unikaten vergangener Jahre und Jahrhunderte besteht, Sorge zu tragen. Ein nicht immer leicht zu erfüllender Auftrag!
► Grundsätzliches zum Thema Gemeindearchiv
(ein Text des Papierrestaurators Martin Strebel, Hunzenschwil)
► Verzeichnis der historischen Bücher im Wittnauer Gemeindearchiv
Aus Datenschutzgründen ist nicht das ganze Archiv öffentlich einsehbar. Es gilt eine generelle Sperrfrist von 30 Jahren. Personendaten unterstehen einem strengeren Schutz, der im Gesetz geregelt ist. ►
Im Gemeindearchiv: Güterverzeichnis von 1644
Des 1644 Jars denn 28 hornung
(= 28. Februar 1644)
Dies ist möglicherweise das älteste Dokument im Wittnauer Gemeindeachiv.
Interessant daran sind besonders die erwähnten Flurnamen und Bürger.
Genannte Flurnamen:
bei dem geisbrungen; in der hostat; hinder hofmat in dem reibetzacher; ob eichmat; an Eichmat hag; in sundall; in der huden; im page[?] sand;
im ker; inn der murckhen; inn dem seit; allment; auf der entlischgase; hinder der trotten; hinder den seitreben; in der langmaten; ob welschenmat;
ob mosmat; in strangen; in kilchmatn; im Ein; auf fischermat; in Zülspach; in der bluommat.
Erwähnte Personen (alphabetisch):
Hans Acherman;
Fridlin Bang / Bangert, Heine Bangert +;
Adem Broglin, Bartlin Broglin, Hans Broglin, Klein Hans Broglin, Heine Broglin +, Jacob Broglin;
Adam Buosinger; Hans Buosinger, Marte Buosinger;
Marte Fellber;
Heirich Frickher;
Guger (Gugger), lantvogt (von Gösgen);
Jacob Hasler;
Fridlin Hausner;
Beter Hirt, Felix Hirt;
Hans Hochreüter;
Aden Hort, Jacob Hort, der jung, Ruodin Hort;
Hans Heirich Liechte, Hans Liechtin, Hans Marte Liechtin;
Heirich Meir;
Hans Heirich Reinen / Reimen, Moritz Reimen;
Fridlin Rüötschlin / Rüötschin;
Fridlin Schaub;
Fridlin Scher von Oberfrickh;
Heirich Schmidt, der Vogt, Tomas Schmidt;
Hans Speiser, Ullin und Hans Heirich Speiser;
Jacob Treier / Trier;
Fridlin Übellman, Hans Heirich Übellman.
Das Dokument aus der Zeit des 30-jährigen Kriegs lag zusammen mit einem Sammelsurium von Drucksachen und Dokumenten unterschiedlichsten Alters in einer Kartonschachtel.
Das Papier ist etwas zerknittert und hat Brüche, bei denen es auseinander zu fallen droht. Wohl ein Fall für den Restaurator.
Im Gemeindearchiv: Der Berein von 1660
Das einzige Pergament-Dokument des Gemeindearchivs:
► Hier sehen Sie ein Bild der Urkunde und und lesen Sie den Text.
Im Gemeindearchiv: Steür Rodel von 1787
Im Wittnauer Gemeindearchiv sind Dokumente aus Vorderösterreichischer Zeit eine Seltenheit.
Aus dem 18. Jahrhundert sind nur gerade eine Handvoll papierene Verzeichnisse erhalten geblieben. Ein schönes Beispiel ist ein Steuerrodel von 1787.
Steür Rodel in der
Gemeindt Witnaw
so den 21ten 8bris (Oktober) in beysein
Clemenz Tschudi Stabhalter
Johanes Herzig burgmeister
Johanes Frickher, Joseph
Spißer Geschworne und
Johanes Waldin lehrer
ab und zu geschriben worden
► Sehen Sie hier den ganzen
Im Gemeindearchiv: Das Grundbuch von 1842
Der Rücken des Grundbuchs hat sich völlig eingerollt und der hintere Buchdeckel ist abgefallen. Entstanden ist dieses Problem durch den Löschsand, den die Schreiber zum Trocknen der Tinte verwendeten. Kleine Reste des Sandes setzten sich in den Fälzen zwischen den Buchseiten fest. Sandkörner sind zwar klein, in ihrer Summe führten sich aber zur Deformierung des ganzen Buches.
Von seinem Informationsgehalt her ist das Grundbuch eine wertvolle Quelle, die Auskunft gibt über die Besitzverhältnisse in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ausserdem finden wir darin viele Flurnamen, die heute in Vergessenheit geraten sind. Die Grundbücher kann man als Nachfahren der Urbare und Bereine sehen, die bis in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Herrschaftsrechte und das Grundeigentum festgehalten hatten.
Auf den Seiten 281 - 283 finden wir die Grundstücke des damals wohl reichsten Wittnauers, Müller Benedikt Tschudi.
Im Grundbuch ist er als Besitzer von
insgesamt 91 Flächen aufgeführt.
Diese Flurnamen kommen zum Beispiel vor:
- auf dem Alten Berg
- Buschberg
- Liendberg
- Neunjurten
- auf dem Neunig
- zu Fahnthal
- im Reichberg
- in der Au
- in der Neumath
- Hoffmath
- Langmath
- am Balmenrei
- in der Wuhrmath
- in der Witzigere
- in der Ihäge
- auf d. Entlischgaß
- in der Sormath
- beim Weißbrunnen etc.
Im Gemeindearchiv: Wanderbuch des Schmieds Friedrich Speiser (1845)
Das "Wanderbuch" war der Personalausweis eines Handwerkers, wenn er nach abgeschlossener Lehre auf Wanderschaft ging. An verschiedenen Stationen seiner Reise erhielt er eine Arbeits-bescheinigung und einen Stempel.
Ähnliche Wanderbücher wie jenes von Friedrich Speiser sind im Gemeindearchiv noch weitere vorhanden. ► Hier erfahren Sie mehr darüber.
Im Gemeindearchiv: Marchbeschrieb des Gemeindebanns Wittnau (1846)
In regelmässigem Turnus wurden die Gemeindegrenze überprüft und die Bannsteine neu beschrieben. Nach 1821 wurde 25 Jahre später – 1846 – diese Kontrolle wieder durchgeführt. Der aktualisierte Bannbeschrieb wurde in ein spezielles Büchlein geschrieben. Die Teilstücke der Gemeindegrenze wurden von den Behörden der jeweiligen Nachbargemeinden überprüft und mit Siegel und Unterschrift bestätigt.
Die Bannsteine zwischen Wittnau und Kienberg sind nummeriert. No. 1 "steht im Hofgraben beim sogenannten Freiplazz".
Im Gemeindearchiv: Statuten des Friedensvereins Wittnau (1850)
Die Idee des 1850 gegründeten Vereins war es, Streitfälle im Dorf direkt zu klären
und auf diese Weise teure Gerichts- und Anwaltskosten zu sparen.
Im Gemeindearchiv existiert auch ein Protokollbuch des Friedensvereins mit Eintragungen aus den Jahren 1850 bis 1854.
Im Adlerauge 2017 erschien ein ausführlicher Artikel über den Friedensverein.
Im Gemeindearchiv: Rechnung über die Hinterlassenschaft
der nach Amerika Ausgewanderten
pro 1854
Die Gemeinde Wittnau drängte um 1850 verarmte Familien zur Auswanderung nach Amerika.
Die gesamt Habe wurde versteigert, damit alte Schulden beglichen werden konnten. Für den Fehlbetrag kam die Gemeinde auf.
Diese Praxis belastete zwar eine gewisse Zeit lang die Gemeindefinanzen, zahlte sich aber im Endeffekt aus.
► zu weiteren Dokumenten rund um dass Thema Auswanderung
Im Gemeindearchiv: Steuerbuch 1881-1885
Die Witwe von Jakob Schmid hatte monatlich einen Betrag von Fr. 0.30 zu bezahlen. Wer ein regelmässiges Einkommen erzielte, bezahlte mehr. Lehrer Johann Fricker schuldete zum Beispiel Fr. 8.06 Gemeindesteuern.
Im Steuerbuch sind aber nicht bloss solche Zahlen zu finden, interessant sind auch Angaben über die Berufstätigkeiten der Wittnauer Bevölkerung. So lässt sich beispielsweise eruieren, in welchen Häusern ein Posamenterstuhl klapperte.
Im Gemeindearchiv: Verzeichniss des Reblandes der Gemeinde Wittnau
angefangen im Februar 1907
Einst war Wittnau eine Gemeinde mit bedeutendem Weinbau. Probleme mit der aus Amerika eingeschleppten Reblaus und der Echte und der Falsche Mehltau, zwei Pilzkrankheiten, machten aber den Reben so zu schaffen, dass viele Rebberge aufgegeben wurden.
Die Rodungen sind mit roter Tinte eingetragen.
Im Gemeindearchiv: Verschiedene Reglemente (1883 - 1912)
Im Wittnauer Gemeindearchiv sind verschiedene Reglemente abgelegt, die man vor über 100 Jahren extra für unsere Gemeinde hat drucken lassen.
Mit diesen Links gelangen Sie direkt zu den Reglementen:
• Reglement Wasserversorgung 1900
Im Gemeindearchiv: Aus alten Schulchroniken (1914 – 1964)
In grossformatigen Büchern wurde früher festgehalten, welche Schülerinnen und Schüler welche Klasse besuchten. Die Hauptsache in den Schulchroniken waren diese langen Schülerlisten.
Ausserdem trugen sich der Inspektor oder die Behördenmitglieder ein, wenn sie der Schule einen Besuch abstatteten.
Eher selten berichten vereinzelte Eintragungen in der Chronik von den Tagesaktualitäten.
Uns geben diese Nebensächlichkeiten einen Einblick in den damaligen Schulalltag.
Im Gemeindearchiv: Ein Wandbild für das Schulhaus? (1964)
Im Gemeindearchiv: Protokollbuch der Kindergartenkommission (1965)
Weil die Primarschule und Oberstufe 1962 das neue Schulhaus beziehen konnte, gab es im alten Schulhaus, dem heutigen Gemeindehaus, freien Platz. Nach einigen Vorabklärungen konnte die Eröffnung eines Kindergartens konkret an die Hand genommen werden.
Im Januar 1965 fand sich erstmals die Kindergartenkommission zusammen; am 25. Oktober 1965 wurde der Kindergarten eröffnet.
... Die Erwachsenen verlassen nun den Kindergarten wieder, und die Mütter überlassen ihre Kinder der sichern und lieben Obhut von Frl. Oswald. Ein paar Kinderaugen füllen sich mit Tränen beim Abschied von der Mutter, aber bald wird auch dies überwunden sein.
Wir hoffen alle, dass dieses grosse und schöne Werk der ganzen Gemeinde zum Segen werde.
Im Gemeindearchiv: ...
(Weitere Beispiele werden folgen.)