► Fotos vom Wittnauer Fasnachtsfeuer
► Die Sujets des Wittnauer Fasnachtsfeuers – eine Liste, geordnet nach Jahren
► Ein Gedicht von Hermann Rüetschi zum Fasnachtsfeuer
► Ein Gedicht von A. Br. zum Fasnachtsfeuer
► Rechnung der «Krone» für die Anzünder des Fasnachtsfeuers 1958
► Ein Zeitungsbericht von 1922 aus dem «Burgdorfer Tagblatt»
Für viele Wittnauerinnen und Wittnauer ist das Fasnachtsfeuer einer der wichtigsten Termine im Jahreslauf. Bei den Vorbereitungen dazu und am Sonntag der Alten Fasnacht wird mit grossem Einsatz das alte Brauchtum zelebriert.
Punkt 20.00 Uhr, gleich nach einem Böllerknall, werden auf den Höhenzügen des Hombergs und des Limpergs die vorbereiteten Flammenschriften entzündet.
Das zwei Berge mit einem Feuer erleuchtet werden, hat damit zu tun, dass die beiden Dorfteile Oberdorf und Unterdorf wetteifern, wer das schönere Feuer zustande bringt.
Die traditionelle Art des Fasnachtsfeuers wird bis heute von den «Untern» gepflegt. Am steilen Abhang des Hombergs, in der «Rislete», werden Holzbündeln («Wälle») Feuer entfacht. Diese sind aus der Ferne als Lichtpunkte zu erkennen, aus denen sich die jeweilige Jahreszahl zusammensetzt.
Geschichtliches
Alte Originaltexte, die sich mit dem Wittnauer Fasnachtsfeuer befassen, wurden 2018 im Aargauer Staatsarchiv in Aarau entdeckt. Ernst Ludwig Rochholz (1809 - 1892), ein aus Ansbach (Bayern) stammender Deutschlehrer der Kantonsschule Aarau, war ein leidenschaftlicher Volkskundler und Sagensammler. Von ihm stammen zwei Aufsätze über das Wittnauer Fasnachtsfeuer, die er wohl um das Jahr 1863 schrieb.
Der erste Text berichtet vom Einsammeln des Brennmaterials und den dabei verwendeten Bettel-Versen, vom Ablauf des Feuerbrauchs, von Fasnachtshexen aus Stroh. Traditionelles Essen wird erwähnt und auch die Rivalitäten zwischen Unteren und Oberen.
[ NL.A–0136 / 0005; VI; 12; Blatt 18 ]
Fasnachtfeuer im Frickthal
Im oberen Frickthal sammelt sich die Knaben-
schaft eines Dorfes (hier gilt uns Wittnau)
am drittletzten Sonntage vor der Alten Fas-
nacht am Ende des nachmittägigen Gottes-
dienstes. Sie gehen von einem Hause zum
andern und erbitten sich Holzbündel,
Bohnenstrohwellen und abgetragene
Kleidungsstücke, das eine für s Fasnacht-
feuer, das Andere um die zu verbren-
nende Fasnachtspuppe damit aufzuputzen.
Ihr Reim Bittspruch lautet:
Stengelwelle
Strubohnenwelle,
En alten Hut,
s’ isch alles gut. –
Gänd nur öppis
zum Fasnachtsfü’r:
ne Welle Strau,
zue nere en alti Frau
en alte Huet , Wullehuet
s’ isch alles guet !
Einer der Knaben führt dabei ein genaues
Verzeichniß u. notiert sich alle diejenigen, die
nichts noch keine Beisteuer
gegeben haben, um
bei diesen an den folgenden Tagen ihre die Bitte
zu wiederholen. Wer nun allzu geizig ist
u. die Jungen aufs nächste Jahr vertröstet,
dem wir das Verlangte durch List abgenommen.
Während sich die Einen noch mit dem Hausherrn
herum zanken, schleichen sich die Andern hinters
Haus, erklettern die Holzlaube, werfen Reis-
wellen herunter und laufen mit dem Raub
davon und verbergen ihn in In einer verlassenen Scheune oder
einem ungebrauchten Waschhause.
Die Knabenschaft des Dorfes theilt sich nun
in zwei Parteien, in die jenseits oder
diesseits des Baches Wohnenden, der ihren Ort
durchfließt, und jede verheimlicht es der
Andern aufs Strengste den Ort, wo sie
Platz, wo sie ihre zusammen gebettelten
Reiswellen mittler Weilen aufbewahrt.
Indeßen rüstet eine jede recht viele Kien-
fackeln. Wer den Winter über in den
Wald muß, gräbt Kien und legt sich die
schönsten Stücke zu einer Fackel bei Seite.
[ NL.A–0136 / 0005; VI; 12; Blatt 19 ]
Während der Fasnachts–Schulferien läuft
man trotz allen Schnees auch noch hinaus,
sucht an allen Tannen das Harz zusammen u.
übergießt damit die Fackeln; der Sohn eines
Schusters steuert Pech, der eines Baumgarten-
besitzers Zweigharz dazu. Dann trägt jeder
seine zwei Stroh- oder Stengelwellen auf einen getreidereichen Hügel oder zur
die Berghöhe hinauf, wo sie zu mehreren Haufen
aufgeschichtet werden, Butzen genannt.
Die Butzen werden bewacht, die Gegenpartei
würde sie sonst noch vor Tag Nacht anzünden
und so das Spiel vereiteln. Sobald
die Betglocke erschallt, wird der jüngste Ehemann
des Dorfes unter Fackelbegleitung auf den
Berg herauf abgeholt, um die Butzen
anzuzünden. Wenn jemals einer wäre,
der sich dessen weigern wollte, der würde
sich alle Knaben zu erbitterten Feinden
machen. An einem kleineren Feuer, an
welchem sich die jüngsten Büblein indeßen
gewärmt haben, steckt er die Fackel an,
schwenkt sie dreimal nach der Himmelsgegend
und entzündet den Reisighaufen.
[Randnotiz siehe unten!]
Schnell zündet nun auch jeder Knabe seine
eigne Fackel an u. stellt sich damit an den
ihm angewiesenen Ort, um hier bestimmte
vorher eingeübte Figuren damit aufzuführen,
namentlich Feuerkreuze u. Feuerschlangen.
Dabei behält man aber immer das Feuer
der Gegenpartei wohl im Auge, das auf
dem benachbarten Berge brennt u. jauchzt
laut auf, wenn ihr dort drüben der Wind Flamme und
Rauch zu Boden drückt u. ihr Feuer damit
dem Dorf unsichtbar macht. Auch an Pistolen-
und Böllerschüssen fehlt es nicht, u. Jeder
trägt nach Kräften bei, die Gegenpartei durch
Freigebigkeit und Erfindung u. Lärmen
zu überbieten. Sind die Feuer er-
loschen, so geht man heim und nimmt das
Nachtessen ein, das man heute zurückstellen
musste, um ja nicht zu spät am Platze zu
sein; dies besteht heute in Brotschnitten
u. Fotzelschnitzen, beides in Butter u. Eier
gebacken, oder in den Küchlein, denen die
Hausfrau ihr Knie eindrücken muss und
die man daher Kniebletze nennt.
[Randnotiz auf Blatt 19:]
Die Mädchen haben sich indeß mit ihren gesammelten Stengel-
u. Strohwellen in ein Gebüsch zurück gezogen,
flechten Hand und Fuß an ihre Garben, setzen ihr
einen Kranz von Waldkräutern aufs Haupt u.
bringen so die Fasnachtshexe zu Stande, die
Knaben hauen eine der ästigsten Buchen oder Tannen
hart am Stamm ab, stutzen sie und behängen
sämmtliche Aststümpfe bis zur Spitze mit Stroh-
zöpfen, oben drauf kommt die Hexe,
und wird auf dem benachbarten Hügel auf-
gepflanzt, wo möglich auf einem recht getreide-
reichen.
[ NL.A–0136 / 0005; VI; 12; Blatt 20: ]
Die nächsten vierzehn Tage dauert der Wett-
streit zwischen beiden Parteien noch lebhaft
fort. Wo ein Knabe die seine Dorfscheidung
überschreitet, wir er von einem der Gegen-
partei angehalten und mit der Frage geplagt,
welches von beiden Fasnachtfeuern das schönere
gewesen sei. Besteht er auf der Schönheit
des seinigen, so wird er geschneeballt, geprügelt
in eine Scheune gesperrt, in einen Stall
geworfen und darinnen scharf bewacht.
Aber zum Widerruf läßt er sich trotz aller
Mißhandlung doch nur selten bewegen.
Dadurch fühlt sich dann seine Knabenpartei
äußerst beleidigt, sie fällt am nächsten
Sonntag vereint den Gegnern in den
Dorftheil ein u. liefert ihr einen heftigen
Kampf. Mit den nächsten Wochen erst
kühlen sich die Gemüther wieder ab.
Der zweite Text von E. L. Rochholz beschreibt die Örtlichkeiten, die Flammenzeichen
und er berichtet vom "Flohfeuer", einem kleinen Nebenfeuer bei der Martinskapelle.
[ NL.A–0136.05.VI.12, Blatt 26 ]
Wittnau
Im frickthaler Dorfe Wittnau zündet das
Oberdorf das Fasnachtfeuer auf der Höhe
der Schifflände an, wo es bei hellem Wetter
über die ganze Landschaft und
selbst bis in den Schwarzwald hinüber
leuchtet; das Unterdorf that dasselbe am
Homberg u. zwar auf dem Schloßplatze,
wo einst das Schloß der Grafen des Frick-
gaues stand, seit fünfzig Jahren aber
dient dazu der Kallofen, der südliche Abhang
des Homberges mit zwei terassen-
förmigen Vorsprüngen. Hier errichtet
man zwei große Holzpyramiden, die
Butzer geheißen (Fasnachtsbutze) die derjenige
aus der Knabenschaft anzuzünden hat,
welcher zuletzt geheiratet hat.
Während gegen Abend die Gemeinde in der Kirche
versammelt ist u. den Rosen Kranz betet, wird
von der Dorfknabenschaft an einer Stelle, die
man im Ort nicht sehen soll, ein erstes Feuer
angezündet, an dem man die Fackeln ansteckt.
Sobald denn die Glocke zum englischen Gruß läutet,
beten die Fackelträger mit ein ander ein Ave.
Es fühlt sich dabei ein Jeder von heiligem
Schauer durchrieselt, als ob dies nun ein Schritt
von höchster Bedeutung wäre, so versichern jetzt
schon bejahrte Männer aus ihrer eigenen
Jugenderinnerung. Sobald der letzte Glockenton
verhallt ist, bilden die Oberdörfer auf der
Schifflände droben aus ihren Fackeln ein Kreuz
von beträchtlicher Größe; ob ihnen auf dem
Berggipfel schickt indeß der Butzer seine
Flammensäulen gen Himmel. Die Unterdörfer
entwickeln ihre Fackelreihe am Rande der
untern Terraße, entzünden hier zwei Butzer
und stecken zwischen ihnen am Abhang ihr
Fackelkreuz auf. In der Rieslete, einer
Wildniß, die auf dem gleichen Abhange ober-
halb der beiden Butzer liegt, entsteht dann im
gleichen Augenblicke ein neues Feuerzeichen,
das den Namen Jesu darstellt, nemlich
ein in einander geschlungenes NS , HS [1]
das herzförmig von Flammen umzogen ist.
Diese Zuthat ist neu, beweist aber, daß der Brauch
[ NL.A–0136.05.VI.12, Blatt 26, Rückseite: ]
wenigstens hier Orts so bald noch nicht in Abgang
kommen werde. Drohen die Fackeln abzulöschen,
so gilt es dem wilden Dornicht und dem dürren Ried-
grase des Berges, es wird rasch mit
dem Gertel abgehauen und vergrößert neuer
Dings die lichten Flammen. Unten bei der Martins-
kapelle haben gleichzeitig die Büblein sammt allen
Schul Mädchen ebenfalls ihr besonderes Feuer,
es trägt den verächtlichen Namen Flohfeuer, das oft
zählt aber oft mehr Fackeln zählt , als eins von den beiden
andern; die Liebe der Eltern zu ihren Kleinsten
bringt es dahin, daß sich hier gewöhnlich der
Männerchor aufstellt u. mitten ins unbotmäßige
Gelärme der Kinderwelt mit einem Liede
Uhlands [2] „Das ist der Tag des Herrn“ einfällt.
So klingt hilft nun das Lied unsers jüngst
verstorbenen
Naturaldichters eine altersgraue Heidensitte
schmücken.
[1] Gemeint ist wohl das Christus-Symbol IHS, die ersten drei Buchstaben
des griechischen Jesus-Namens ΙΗΣΟΥΣ .
[2] Ludwig Uhland, deutscher Dichter, Jurist und Politiker (1787 – Nov. 1862).
Die Melodie des Liedes stammt von Felix Mendelssohn.
2018 erschien eine Sondernummer der Dorfchronik «Adlerauge» zum Thema Fasnachtsfeuer.