Ein Rillenbeil, das viele Fragen offen lässt

 

1910 wurde im Wittnauer Unterdorf das neue Postgebäude gebaut. Zuvor stand an diesem Platz ein Strohdachhaus. Etwa 1 m unter dem Kellerboden des alten Hauses kam ein Steinbeil mit einer recht ungewöhnlichen Form zu Tage. 

Der Posthalter Hermann Fricker schenkte das Fundstück dem Historischen Museum in Baden. Warum das Beil nach Baden gelangte, ist nachvollziehbar: Gründer und Förderer des Badener Museums war der Historiker und Bezirksschulrektor Bartholomäus Fricker (1844 - 1913), aufgewachsen in Wittnau und ein Verwandter des Posthalters Hermann Fricker. 

1948 schenkte das Museum Baden das Steinbeil dem Schweizerischen Landesmuseum in Zürich (heute "Schweizerisches Nationalmuseum"). Das Motiv für diese Übergabe ist heute nicht mehr bekannt. Vielleicht war der akute Platzmangel im Badener Landvogteischloss der Grund.

 

 

 


Alle Bilder:  © Schweiz. Nationalmuseum, A-40649
Alle Bilder: © Schweiz. Nationalmuseum, A-40649

 

 

Dieses Steinbeil hat eine ganz spezielle Form. 

Es weist auf der einen Schmalseite eine Schneide auf, die andere Schmalseite ist stumpf. Links und rechts hat das Beil eine Vertiefung, eine Rille, die dazu diente, das Werkzeug mit einem hölzernen Schaft zu verbinden. Wie der Schaft konkret aussah, ist nicht klar. Möglicherweise wies der Werkzeugstiel eine ösenartige Öffnung auf, in der das Beil steckte und darin festgebunden war. Jedenfalls scheint das Beil eine doppelte Funktion gehabt zu haben. Als kombiniertes Hieb- und Schlaginstrument verkörpert das Rillenbeil eine recht hochentwickelte Form eines Steinbeils.  

 

Dass das Beil als Einzelstück zu uns gelangt ist und keine Begleitfunde oder Kulturschichten überliefert sind, macht eine Datierung schwierig. Der Form nach dürfte das Objekt als neolithisch (jungsteinzeitlich) oder frühbronzezeitlich angesehen werden. Die Entstehungszeit liegt demnach etwa zwischen 2'800 und 1'700 v.Chr. 

 

Als Fundort war im Museumsinventar von 1910 angegeben: "1 m unter dem Kellerboden eines alten Strohhauses in Wittnau" . Das lässt Vermutungen aufkommen. Verschiedentlich schon sind im Fricktal im Boden unter alten Bauernhäusern Steinbeile gefunden worden, so in Kaisten, Oeschgen, Hornussen, Wölflinswil. Sie waren im späten Mittelalter oder der frühen Neuzeit dort vergraben worden, um das das Haus gegen Blitz und anderes Unheil zu schützen. Möglicherweise ist auch das Wittnauer Rillenbeil ein Zeugnis solcher Volksmagie.

 

 

Und noch ein weiteres Rätsel gibt es: Aus welchem Material ist das Beil gemacht? 

Das alte Inventar des Historischen Museums Baden von 1910 nennt als Gestein Syenit, ein magmatische Tiefengestein. Bei der Schenkung ans Landesmuseum 1948 wurde das Werkzeug als "Serpentinbeil" bezeichnet. Aktuell gibt die Gesteinsexpertin des Nationalmuseums an, dass das Werkzeug am ehesten aus Serpentinit sei. Diese Einschätzung ist aber nicht sakrosankt, weil sie bloss auf einer äusserlichen Betrachtung und nicht auf einer exakten Materialanalyse beruht.

 


Quellen:  –  Archiv von «Archäologie-Schweiz» in Basel

               –  Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich

               –  Historisches Museum der Stadt Baden , Inventar von 1910

               –  Das «Hebandehuus» in Kaisten, Erwin Rigert u. David Wälchli;

                   in: «Vom Jura zum Schwarzwald», 70. Jahrgang, 1997, S. 55, Anmerkung 23

               –  mündliche Auskunft R.B.-Z., Wittnau

 

Herzlichen Dank für Tipps und Ideen an:

               –  Hanna Marti, Archäologie-Schweiz

               –  Kurt Zubler, Historisches Museum Baden

               –  Jacqueline Perifanakis, Schweizerisches Nationalmuseum

               –  Valentin Häseli, Archäologie-Student

 


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